Das Team um Dr. Maria Barbosa vom Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS Dresden hat die neue Technologie inzwischen mit dem Schweizer Anlagenbauer AMT in die industrielle Praxis überführt. Die IWS-Forscher sehen für ihr Suspensionsspritzverfahren viel Potenzial in der Luft- und Raumfahrt, aber auch in der Halbleiterindustrie sowie vielen anderen Branchen.
Besonders langlebige und doch preiswerte Schutzschichten möglich
»Damit werden hochwertige und langlebige Schutzschichten selbst auf großen Bauteilen möglich – zu vergleichsweise niedrigen Kosten«, betont IWS-Ingenieurin Dr. Barbosa. »Indem wir Suspensionen statt Pulver spritzen, können wir Werkstoffe mit sehr kleinen Partikeln einsetzen, die bisher nicht dafür geeignet waren. Wir schlagen hier eine Brücke zwischen den etablierten Beschichtungsverfahren, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. In Zukunft lassen sich damit auch neuartige Werkstoffkompositionen verarbeiten.« Um Wärmedämmschichten zu erzeugen, sind bisher vor allem zwei Technologiepfade üblich: Einige Unternehmen bearbeiten die Bauteile mit Elektronenstrahlverdampfern (»EB-PVD«) in Vakuumkammern. Dabei entstehen sehr hochwertige und langlebige Schichten. Aber dieses Verfahren ist teuer, insbesondere für die Beschichtung sehr großer Bauteile.
Der zweite Technologiepfad ist das »Atmosphärische Plasmaspritzen« (APS). Dabei wird Pulver in einem Plasmastrahl geschmolzen und auf das Bauteil geschleudert. APS ist zwar relativ preiswert, weil es ohne Vakuumkammern auskommt. Aber die so erzeugten Schutzschichten sind wenig belastbar.
Richtig angerührt lassen sich auch feine Pulver spritzen
Mit dem »YSZ-Suspensionsspritzen« haben die Fraunhofer-Forscher nun eine Alternative entwickelt: Sie verwenden ein feines Keramikpulver aus Yttrium-stabilisiertem Zirkoniumoxid. Die Körner darin weisen einen Durchmesser von nur einem Mikrometer auf oder sind noch kleiner. Solche besonders feinen Pulver würden in klassischen Verarbeitungsverfahren sehr rasch verklumpen und die Maschinenschläuche verstopfen. Deshalb rühren die Ingenieure mit Wasser oder Alkohol eine Suspension an. Auf diese Weise werden die Partikel dann doch spritzbar. Dabei entsteht eine Abschirmschicht, die etwa 500 Mikrometer (Tausendstel Millimeter) dünn ist. Weil dafür kein Vakuum nötig ist, bleiben die Kosten überschaubar. Zudem lassen sich so auch große Flugzeug-Komponenten mit relativ hohem Tempo beschichten. Eine beschichtete Flugzeugturbine kann bei höheren Temperaturen arbeiten als ein unbeschichtetes Aggregat. So könnte sich die Betriebstemperatur einer Turbine mit der vom IWS entwickelten Lösung vergleichsweise kostengünstig um etwa 150 Grad anheben lassen. Dies erhöht ihren Wirkungsgrad, macht sie langlebiger und reduziert den Kühlaufwand. Unterm Strich sinkt der Kraftstoffverbrauch. »Auch die Umwelt wird weniger belastet, weil der Treibstoff in den verbesserten Triebwerken effizienter verbrennt, was den Kraftstoffverbrauch reduziert und entsprechend weniger Schadstoffe ausstößt«, schätzt Dr. Barbosa ein. Um einen weiteren Vorteil neuer Triebwerksbeschichtungen zu verstehen, lohnt sich eine Zeitreise ins Jahr 2010: Als damals der isländische Vulkan Eyjafjallajökull ausbrach, legte er den Flugverkehr in halb Europa lahm. Abgesehen von den Sichtproblemen durch die hochgeschleuderte Vulkanasche sorgten sich die Fluggesellschaften auch über mögliche Turbinenschäden. Denn diese Asche enthält, ähnlich wie der nicht minder schädliche Flugsand, sogenannte Calcium-Magnesium-Aluminium-Silicate (CMAS). Schmilzt dieses Material in einer ungeschützten Brennkammer, kann es erhebliche Schäden anrichten.
Opferschicht soll Flugzeuge nach Vulkanausbruch schützen
Eben gegen diese Schäden kann eine qualitativ hochwertige Zusatzschicht helfen, die nicht gleich wieder abplatzt. Auch darauf zielt das am IWS entwickelte Suspensionsspritzverfahren. »Für diesen Anwendungsfall arbeiten wir mit dem ,Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt’ und der TU Dresden zusammen«, berichtet Dr. Maria Barbosa. »Wir wollen gemeinsam eine ,Opferschicht’ entwickeln, damit Asche und Sand nicht gleich die Turbinenschaufel selbst angreifen können. Die Flugzeuge sollen dadurch auch nach einem Vulkanausbruch noch sicher ihr Ziel erreichen.« Auch in der Halbleiterbranche stößt das IWS-Verfahren auf großes Interesse. Denn in der Chipproduktion setzen die großen Mikroelektronikfabriken unter anderem Plasma-Ätzkammern ein. In denen greifen aggressive Fluorverbindungen immer wieder die Kammerwände an. Mit innovativen Schichten aus Dresden wollen Anlagenbauer das Innere der Maschinen in Zukunft besser gegen Korrosion schützen. »Wir bemerken eine große und wachsende Nachfrage aus der Industrie an unserem Verfahren – und dies aus vielen Branchen«, betont Ingenieurin Dr. Maria Barbosa. »Wir wollen nun weitere Anwendungsmöglichkeiten erschließen. Gemeinsam mit kleinen und mittleren Unternehmen arbeiten wir im Rahmen eines IGF-Projekts daran, auch Hartmetall wie Wolframcarbid in einer Kobalt-Matrix spritzbar zu machen.«