Serial Sectioning ermöglicht Einblick ins Werkstoffinnere

Scheibchenweise zur 3D-Analyse

Aktuelles – Fraunhofer IWS Dresden /

Verfahren wie die Computer-Tomografie und der Ultraschall gewähren einen zerstörungsfreien Blick ins Innere eines Werkstücks. Sie liefern aber zu wenige Informationen über die Struktur und die Eigenschaften des Werkstoffs. Anders verhält es sich beim Serial Sectioning. Auch wenn das Probenteil nach und nach abgetragen wird, bietet die Methode im Gegensatz zu zerstörungsfreien Methoden deutliche Vorteile. Dr. Jörg Bretschneider erklärt die Potenziale des Serial Sectioning, auch im Hinblick auf die Automatisierung mittels Roboter.

Die Prozesse und Parameter werden vor Beginn der Probenbearbeitung genau eingestellt. Dafür ist ein hohes Maß an Fachwissen in der Metallografie gefragt.
© ronaldbonss.com
Die Prozesse und Parameter werden vor Beginn der Probenbearbeitung genau eingestellt. Dafür ist ein hohes Maß an Fachwissen in der Metallografie gefragt.
Der Roboter führt die Routinearbeiten durch, was den Metallografie-Alltag erleichtert. Prozesse wie Schleifen, Ätzen und Polieren werden im Inneren des Roboters automatisiert erledigt.
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Der Roboter führt die Routinearbeiten durch, was den Metallografie-Alltag erleichtert. Prozesse wie Schleifen, Ätzen und Polieren werden im Inneren des Roboters automatisiert erledigt.

Was versteht man unter Serial Sectioning und welche Erkenntnisse über einen Werkstoff lassen sich damit gewinnen?

DR. BRETSCHNEIDER: Bei der als Serienschnitt bekannten Methode entfernen wir schrittweise Materialschichten von der Probe. Nach jedem Schnitt nehmen wir ein hochauflösendes Bild der freigelegten Fläche auf. Daraus erstellen wir eine vollständige 3D-Rekonstruktion der Mikrostruktur. Dies ist wichtig bei den komplexen Mikrostrukturen, wie sie in fast allen technisch genutzten Werkstoffen vorliegen. Je mehr Schnitte, desto höher die Auflösung. Typischerweise arbeiten wir mit etwa 100 Schliffebenen. Je nach Komplexität können auch nur 30 oder bis zu 300 Ebenen erforderlich sein.

Im Gegensatz zu vielen zerstörungsfreien Methoden bietet das Serial Sectioning hochpräzise Informationen über kleinste Mikrostrukturen. So bieten Röntgenprüfung oder Computertomografie oft nur eine eingeschränkte Auflösung und Genauigkeit. Wir erreichen Auflösungen von Nanometern bis Millimeter-Bereich. Damit können wir die Strukturen (z. B. Korngrenzen in einem Metall) oder die Verteilung von Inhomogenitäten (z. B. Poren oder nichtmetallische Einschlüsse) im gewählten Materialvolumen identifizieren. Innerhalb des Instituts arbeiten wir eng mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Technologiefeldern zusammen. Oft analysieren wir Schweißnähte und geben durch die 3D-Analyse Hinweise zur Prozessoptimierung. Ein weiteres spannendes Anwendungsfeld ist die additive Fertigung. Hier kooperieren wir ebenfalls, um die Materialeigenschaften resultierend aus der Prozessführung zu untersuchen.

Wie geschieht das Abtragen der Proben und welchen Aufwand erfordert es, wenn für eine 3D-Struktur durchschnittlich 100 Schnitte nötig sind?

DR. BRETSCHNEIDER: Das hängt von der nötigen Auflösung ab. Für die üblichen Größen nutzen wir mehrere metallografische Präparationsschritte. Dazu gehören Schleifen, Polieren und Ätzen. Auf der Nanometerebene können wir mit der Elektronenmikroskopie und der FIB (Focused Ion Beam) Technologie vordringen. Dabei geschieht das Abtragen Schicht für Schicht mit einem Ionenstrahl. Entsprechend filigran ist der Schichtabtrag und entsprechend feine Details sind erkennbar. Die Abbildung und die Materialanalyse erfolgen mittels Elektronenmikroskopie.

Der metallografische Prozess ist, wenn er manuell geschieht, sehr aufwendig. Seit 2021 können wir ihn allerdings automatisieren, denn wir nutzen am Fraunhofer IWS einen in den USA entwickelten Metallographie-Roboters (RoboMet-3D). In diesen baut unsere Technikerin die vorbereitete Probe ein, stellt die Parameter passend ein und startet den Prozess. Innerhalb des Systems bearbeitet der Roboter die Probe schrittweise und legt sie mittels Roboterarm für die Bilderzeugung selbstständig auf das eingebaute Lichtmikroskop. Diesen Ablauf wiederholt das System auch ohne Betreuung wieder und wieder. In der Regel lassen wir den Roboter den gesamten Arbeitstag laufen. Auch wenn dieser Prozess recht simpel klingt, benötigen wir dafür erfahrene Technikerinnen und Techniker, um die Roboter-Einstellungen präzise vorzunehmen. Ohne metallografisches Know-how lässt sich das System nicht optimal nutzen.

Welches Know-how meinen Sie genau und wie weit ist die Nutzung eines solchen Roboters verbreitet? 

DR. BRETSCHNEIDER: Faktoren wie Schleifdauer, die Auswahl der Schleifscheiben und die richtigen Mengen an Poliermitteln und Chemikalien sind dafür einige Beispiele. Die unentbehrliche Grundlage bildet das metallografische Fachwissen der Forschenden in unserem Team. Denn es handelt sich beim RoboMet-3D nicht um ein Plug-and-Play-System. Der Roboter übernimmt zwar die Routinearbeit, aber der Mensch muss die Prozesse komplett verstehen und alle Parameter korrekt einstellen. Weltweit gibt es etwa 20 solcher Roboter, bisher fast ausschließlich in Nordamerika. Wir haben solch ein System als erste Institution in Europa eingesetzt. Es wurde im Dezember 2021 installiert und wir bekamen eine ausführliche Einweisung, dennoch war es notwendig, sich vieles in der praktischen Anwendung anzueignen, um einen Expertenumgang mit dem System zu erreichen, denn dieser erfordert umfassendes Fachwissen und Zeit. Unsere Pionierarbeit in Europa hat uns einen gewissen Vorsprung ermöglicht. Inzwischen nutzen wir den Roboter täglich und wissen die Parameter aufs Genaueste abzustimmen.

Wie könnte man diesen Prozess noch weiterentwickeln?

DR. BRETSCHNEIDER: Jedes System hat seine Grenzen. In der Mikroskopie ist noch nicht alles ausgeschöpft. Der RoboMet-3D nutzt derzeit ausschließlich ein Lichtmikroskop. Noch feinere Abbildungen könnten wir erhalten, wenn ein Elektronenmikroskop angeschlossen wäre. Auch Härtemessungen, wie die Vickers-Methode, sind momentan nicht integriert. Überlegungen, solche Verfahren in Zukunft mit dem Roboter zu kombinieren, bestehen bei uns bereits.

Herr Bretschneider, sie beenden nun ihre aktive Tätigkeit am Fraunhofer IWS. Wir danken Ihnen an dieser Stelle herzlich im Namen des gesamten Instituts. Wie wird für Sie die nähere Zukunft aussehen? 

DR. BRETSCHNEIDER: Ich bleibe neugierig und denke, dass der Kontakt ans Institut auch weiterhin bestehen wird. Über das große Potential eines automatisierten Serial Sectionings werden wir sicherlich nicht zum letzten Mal sprechen. Meine Kolleginnen und Kollegen im Team werden die Arbeit am Thema mit großer Konzentration und Expertise weiterführen. Ich bin froh, das Thema in kompetente Hände übergeben zu können.