Fraunhofer IWS: Neue Erkenntnisse für den Einsatz digitaler Laborbücher gewonnen
»DiWan« zeigt Weg zum digitalen Werkstoffexperten
Die Digitalisierung verändert das Berufsbild des Werkstoffprüfers. Die Schulung der Teams an neuen digitalen Laborbüchern ist dabei von zentraler Bedeutung und sorgt dafür, fachliche Expertise langfristig für Unternehmen und Institute zu sichern. Diese und weitere Erkenntnisse haben das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden und dessen Partner durch das abgeschlossene Forschungsprojekt »DiWan: Digitaler Wandel in der Werkstoffprüfung« gewonnen. Sie fließen in die weiteren Aktivitäten des Dresdner Instituts im Kontext der digitalen Transformation der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik ein.
Effiziente Wege zu einer digitalen Werkstoffprüfung in Industrie, Auftragslaboren und Forschungseinrichtungen zu finden, wird angesichts der digitalen Transformation in Wirtschaft und Wissenschaft drängender. »Der exponenziell ansteigende Einsatz künstlicher Intelligenz und des darin einbezogenen maschinellen Lernens in allen Branchen der deutschen Wirtschaft hat auch Einzug in die Materialwissenschaft und Werkstofftechnik gehalten«, erklärt Prof. Martina Zimmermann, die das Kompetenzfeld Werkstoffcharakterisierung und -prüfung am Fraunhofer IWS in Dresden leitet. »Denn mit digital erfassten und strukturierten Werkstoffdaten lassen sich Wettbewerbsvorteile im Laboralltag und in Industriebetrieben erzielen.«
Digitale Laborbücher liegen im Trend
Entsprechend ersetzen materialwissenschaftliche, biotechnologische und pharmazeutische Unternehmen sowie Institute in zunehmenden Maße ihre klassischen Laborbücher, in denen Präparationsschritte, experimentelle Ergebnisse und Prozesse zur Herstellung von Werk- und Wirkstoffen per Hand vermerkt werden, durch digitale Laborbücher. »Diese digitalen Dokumentationen können Entwicklungsprojekte beschleunigen. Sie sichern darüber hinaus Unternehmen in Gewährleistungsfällen ab und helfen bei möglichen Patentstreitigkeiten«, erläutert Dr. Jörg Bretschneider, der am Fraunhofer IWS das Projekt »DiWan« betreut hat. »Deshalb sind digitale Laborbücher derzeit ein absolutes Trendthema.«
Perspektivisch lassen sich diese digitalen Dokumentationen zu KI-gestützten Assistenz- und Expertensystemen weiterentwickeln. Entstehen sollen digitale Wissensspeicher, die sich vielfältig nutzen und erweitern lassen. Solche stetig erweiterbaren digitalen Wissensrepräsentanzen werden die Werkstoffforschung und -anwendung auf eine neue Stufe heben.
Digitale Assistenz- und Expertensysteme gehören ins Curriculum
In der praktischen Umsetzung ist es allerdings sinnvoll, den zweiten Schritt nicht vor dem ersten zu gehen – das hat DiWan deutlich gemacht. So sollte die Einführung digitaler Laborbücher gut vorbereitet, modular durchgeführt, mit den Beschäftigten durchgesprochen und durch Weiterbildungen begleitet werden. Nötig sind zudem neue Arbeitsumgebungen sowie eine besondere Sorgfalt bei der strukturierten Erfassung und Beschreibung der Werkstoffdaten. Zudem müssen für künftige Assistenz- und Expertensysteme von Anfang an möglichst vollständige Datensätze erfasst werden, seien es Textdokumente, Erfahrungswissen, Mess- oder Metadaten. Nur eine vollständige Erfassung aller Daten ebnet den Weg für zukünftige KI-gestützte Datenexplorationen. Auch plädieren die Projektpartner dafür, den Einsatz digitaler Assistenz- und Expertensysteme in das Curriculum der Facharbeiterausbildung aufzunehmen. Zugleich warnen sie vor überzogenen Erwartungen: Digitale Werkzeuge in den Laboralltag zu integrieren gestaltet sich aufwendig. Daher kann der Personalaufwand in den Laboren zunächst höher ausfallen.
DiWan-Erkenntnisse flossen in »Winter School« ein
Diese und weitere Erfahrungen wollen die Fraunhofer-Experten nun in ihre Beratungsangebote einbauen. Aktuell für die Materialwissenschaft und Werkstofftechnik zur Verfügung stehende digitale Laborbücher wurden bereits während der »Winter School« der »Nationalen Forschungsdateninfrastruktur für die Materialwissenschaft & Werkstofftechnik« (NFDI MatWerk) und dem »Graduiertenkolleg 2868: D3 – Datengetriebenes Design resilienter Metamaterialien« der Technischen Universität Dresden vorgestellt. Kompetenzfeldleiterin Martina Zimmermann bringt ihre Erfahrungen aus dem DiWan-Projekt auch in die laufenden Aktivitäten der NFDI-Matwerk ein. In der Arbeitsgruppe »Task Area Community Interaction« fungiert sie als Co-Sprecherin.
Am Projekt DiWan selbst hatten sich neben dem Fraunhofer IWS die Technische Universität Dresden, der imq-Ingenieurbetrieb für Materialprüfung, Qualitätssicherung und Schweißtechnik GmbH, die IMA Materialforschung und Anwendungstechnik GmbH (Applus+ IMA), der Prüfmaschinenhersteller Hegewald und Peschke Meß- und Prüftechnik GmbH sowie der Softwareentwickler Labforward beteiligt.
Video: Projekt Diwan – Digitaler Wandel in der Werkstoffprüfung
Das Fraunhofer IWS forscht bereits über Jahrzehnte federführend auf dem Gebiet der Werkstoffcharakterisierung und -prüfung. Gemeinsam mit Forschungs- und Industriepartnern treibt das Institut derzeit die Digitalisierung in der Werkstoffkunde im DiWan-Projekt (»Digitaler Wandel in der Werkstoffcharakterisierung«) voran.
Förderhinweis
Das Projekt wurde aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit finanzieller Unterstützung des Europäischen Sozialfonds (ESF) unter dem Förderkennzeichen 02L18B560 gefördert.