Projekt ROBINIA will zu Kohlenstoffdioxid-Einsparungen im Bausektor beitragen

Hartes Holz für nachhaltiges Bauen

Aktuelles – Fraunhofer IWS Dresden /

Bäume aus der Lausitz könnten zirkuläres Wirtschaften unterstützen und Lösungsansätze für mehrere Herausforderungen der Energiewende bieten. Die Robinie gilt als überaus festes und witterungsbeständiges Holz, das herkömmliche Materialien in der Bauindustrie ersetzen könnte. Für deren Zulassung als Brettschichtholz setzt sich ROBINIA ein. Die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIN-D) fördert das Projekt von Lausitz Energie Bergbau (LEAG), STRAB Ingenieurholzbau und Fraunhofer. Dr. Dirk Berthold vom Fraunhofer WKI und Dr. Jens Standfuß vom Fraunhofer IWS erklären die Hintergründe im Interview.

Brettschichtholz aus Robinie mit geklebter Keilverzinkung.
© Daniel Viol
Brettschichtholz aus Robinie mit geklebter Keilverzinkung.
Oberflächenstrukturierungen mittels Laser verbessern die Klebung von Brettschichtholz aus Robinie.
© Daniel Viol
Oberflächenstrukturierungen mittels Laser verbessern die Klebung von Brettschichtholz aus Robinie.
Der Robinienbaum wächst besonders schnell und produziert dabei dennoch ein sehr hartes Holz.
© Marc Kirouac/Shutterstock
Der Robinienbaum wächst besonders schnell und produziert dabei dennoch ein sehr hartes Holz.

Worum geht es im Projekt ROBINIA?

DR. BERTHOLD: Das übergeordnete Ziel des Projektes ist es, neue Wege zu finden, um CO2 aus der Atmosphäre in Produkten möglichst lange zu binden, den CO2-Gehalt der Atmosphäre wirtschaftlich zu reduzieren und unsere Klimaziele zu erreichen. Das Konsortium aus Fraunhofer WKI, Fraunhofer IWS, Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG) und STRAB Ingenieurholzbau hat sich zum Ziel gesetzt, Robinienholz aus der Wiederaufforstung von Tagebauten sowie aus Waldgebieten in Regionen mit geringen Niederschlägen in den Vegetationsperioden einer nachhaltigen Nutzung zuzuführen, die verstärkt durch die insbesondere seit 2018 deutlich gewordene klimawandelbedingte Trockenheit nicht mehr mit klassischen Nadel- aber auch Laubbaumarten bewirtschaftet werden können. Robinie weist gegenüber der im Bau aktuell primär verwendeten Fichte eine wesentlich höhere natürliche Dauerhaftigkeit auf und kann ohne weiteren chemischen oder konstruktiven Holzschutz im Außenbereich eingesetzt werden, ohne dass sie dabei durch den Befall holzzerstörender Pilze oder Insekten bedroht ist. Damit ist Robinie die einzige europäische Holzart, die in die Dauerhaftigkeitsklasse 1–2 (nach DIN EN 350-2) eingestuft ist und hinsichtlich dieser Eigenschaft Tropenhölzer für Außenanwendung vollumfänglich ersetzen kann. Moderner Ingenieurholzbau beruht auf der Anwendung der tragenden Verklebung von Hölzern zu Vollholzverbundwerkstoffen. Diese bestehen derzeit fast ausschließlich aus Nadelholz mit begrenzter Dauerhaltbarkeit und zukünftig begrenzter Verfügbarkeit. Unser Ansatz ist daher, den Holzrohstoff Robinie für die Verarbeitung zu witterungsbeständigem Brettschichtholz für Anwendungen im Außen- sowie Feuchtbereich mit baurechtlicher Zulassung zu qualifizieren. Damit ist eine Substitution CO2-intensiver Werkstoffe wie zum Beispiel Beton und Stahl auf vielen Anwendungsgebieten möglich. Außerdem lässt sich mit der verstärkten Nutzung von Robinie der Einsatz von Tropenholz in Europa reduzieren – Stichpunkt: Schutz des Regenwaldes – und aufgrund der natürlichen Beständigkeit der Einsatz von Biozid-Produkten zum Holzschutz minimieren.
 

Das Konsortium ist interdisziplinär aufgestellt. Wer übernimmt welche Aufgabe im Projekt?

DR. STANDFUSS: Insgesamt arbeiten vier regionale Parteien am Projekt. STRAB Ingenieurholzbau aus Hermsdorf baut bisher beispielsweise Brücken aus Holz. Das Unternehmen hat somit ein intrinsisches Interesse verstärkt Robinie einzusetzen. Es verfügt über die benötigten Anlagen für eine industrielle Herstellung der Träger, wie sie für das Zulassungsverfahren nötig ist, und hat bereits weitere Flächen zum Aufbau einer auf Robinie angepassten Produktionslinie zugesagt. Das Fraunhofer WKI kümmert sich um die Standortanalyse, die Qualitätsprognosen und um die Witterungs- und Haltbarkeitsversuche an den verklebten Hölzern. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dort sind Experten in der Forstwissenschaft und Holzforschung. Die LEAG fungiert in diesem Projekt als Holzlieferant. Die ehemaligen Flächen der Braunkohletagebauten bewirtschaftet das Unternehmen bereits mit Robinie, die zurzeit als Energieträger in Form von Holzpellets verwendet wird. Die Handelnden wollen ihre Wertschöpfungskette jedoch erweitern. Wir am Fraunhofer IWS kümmern uns um die Verbindung der Holzschichten sowie um die Oberflächenbehandlung und -funktionalisierung.
 

Welche Anwendungsbeispiele ließen sich mit der Robinie ermöglichen und welche Vorteile bietet der Werkstoff Holz in diesem Punkt?

DR. BERTHOLD: Die Robinie bietet ihren Eigenschaften nach vor allem im Außeneinsatz große Vorteile. Ich denke da etwa an den Ingenieurholzbau von Brücken oder Hallendächern, die Feuchtigkeit ausgesetzt sind, wie beispielsweise Schwimmhallen. Wir werfen auch ein Auge darauf, Turmstrukturen für Windkraftanlagen aus Robinie zu bauen. Daran wollen wir in einem Folgeprojekt arbeiten. Holz rückt als Bauwerkstoff aktuell wesentlich näher in den Fokus, denn es bietet eine gute Möglichkeit, um Kohlenstoffdioxid längerfristig zu binden. Holz weist im Vergleich zu Stahl und Beton eine negative CO2-Bilanz auf und das macht es umwelttechnisch sehr interessant. Aus meiner Sicht wird der Holzbau dadurch noch ein Stück weit mehr an Bedeutung gewinnen. Auch der Leichtbau im Bauwesen ist in dieser Hinsicht ein gutes Stichwort. Es gibt Überlegungen innerstädtische Gebiete zu verdichten. Zum Beispiel könnte über einen Supermarkt mittels Leichtbau eine weitere Etage eingezogen werden. Die Unterkonstruktionen solcher Gebäude sind nicht darauf ausgelegt, zusätzliche Stahl- und Betonkonstruktionen standhalten zu können.
 

Beton und Stahl lassen sich im Gegensatz zu Holz relativ kurzfristig beschaffen. Welche zeitlichen Horizonte erwarten uns bei der Robinie?

DR. BERTHOLD: Auch hier bietet die Robinie wieder einen enormen Vorteil, da sie verglichen mit anderen Hölzern sehr schnell wächst. Wir sprechen da von circa 30 bis 40 Jahren, die ein solcher Baum braucht, bis er die benötigte Größe für den Einsatz als Baustoff erreicht hat. Bei einer Fichte reden wir schon von der knapp doppelten Dauer, bei anderen dauerhaften Hölzern wie der der Eiche liegt der Produktionszeitraum zwischen 140 und 180 Jahren. Wichtig vor diesem Hintergrund: Bei der Robinie handelt es sich trotz des schnellen Wachstums nicht wie bei der Birke um ein Weichholz, sondern um ein sehr hartes. Es besitzt eine höhere Dichte und somit häufig eine höhere Festigkeit als Eichenholz.
 

Was hebt ROBINIA von anderen Projekten zum CO2-Sparen ab? Auf welche Art und Weise kann das Projekt die Industrie auf dem Weg zu einer zirkulären Wirtschaft unterstützen?

DR. BERTHOLD: Wir bewegen uns mit dem Ansatz der Holznutzung von Grund auf in einer negativen CO2-Bilanz, da der Werkstoff bereits während seiner »Herstellung« – also dem Wachstum – Kohlenstoffdioxid aufnimmt. So speichert beispielsweise ein Kubikmeter Robinienholz knapp 1300 Kilogramm CO2, wohingegen die Herstellung einer Tonne Stahl in Deutschland beim derzeitigen Energiemix etwa 1500 Kilogramm davon freisetzt. Ein anderes Beispiel: Für eine Brücke mit einer Spannweite von ungefähr 25 Metern werden für die Tragstruktur etwa 14 Tonnen Stahlträger benötigt, was einem Verbrauch von 21 Tonnen CO2 entspricht. Eine vergleichbare Brücke mit Tragstruktur aus Brettschichtholz würde etwa 10 Tonnen Holz benötigen und 18 Tonnen Kohlenstoffdioxid langfristig binden. Außerdem nutzen wir die positiven Effekte von Robinienholz noch auf anderen Ebenen. Wir haben mit der Robinie eine Holzsorte ausgesucht, die auch ohne jegliche Biozidbehandlung auskommt, das heißt, wir nutzen im Endeffekt pures Holz. Auch dem klimabedingten Waldumbau und der Rekultivierung von ehemaligen Braunkohletagebauten können wir mit der verstärkten Nutzung von Holzsorten wie Robinie unter die Arme greifen, da sie als Leguminose und trockenresistente Art auch auf sandigen bzw. nährstoffarmen Böden wächst.

DR. STANDFUSS: Eine große Rolle spielt in unserem Projekt ebenfalls die lokale Verwertungsperspektive. Gebiete in Brandenburg und der Lausitz eignen sich sehr gut zum Robinienanbau und können im Zuge der so durchgeführten Rekultivierung profitieren. Auch eine Verkürzung der Transportwege des Holzes versuchen wir mit unserem Projekt zu erreichen, denn die bisherigen Robinienbestände stammen meist aus Süd- bzw. Osteuropa (Ungarn). Die Brettschichthölzer wollen wir perspektivisch nicht wie bislang mittels eines Klebstoffs herstellen, sondern mit recycelten kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen. Wir bringen das elektrisch leitfähige Rezyklat in die Form einer Folie, legen diese statt des Klebstoffs zwischen die zu verbindenden Teile und schmelzen die Folie mittels Induktion. Das hat den verfahrenstechnischen Vorteil, dass es relativ schnell erstarrt und schnellstmöglich aushärtet, wohingegen ein Kleber immer eine gewisse Zeit dafür benötigt. Diese Methode eignet sich womöglich auch, um Hölzer schnell und einfach auf Baustellen miteinander zu fügen. Dieses Schmelzen kann aber auch zum Trennen der Teile dienen und erleichtert ein Recycling.
 

Welche weiteren Schritte planen Sie?

DR. STANDFUSS: In der aktuellen Challenge stehen uns genau zwölf Monate zur Verfügung. Wir haben vor, die Trägerstrukturen bis Ende 2022 in die Prüfung zu geben. Die Ergebnisse und die Zulassung lassen sich noch nicht verlässlich prognostizieren. Was die preisliche Komponente angeht, ist unser Ansatz, die Kosten vor allem durch eine sehr effiziente Herstellung wie beispielsweise die Laserbearbeitung zu verringern. Mitte des nächsten Jahres werden wir eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchführen und alle Faktoren miteinander abstimmen, um einen Preis festlegen zu können.
 

Was können Fraunhofer IWS und WKI für die Zukunft von diesem Projekt mitnehmen?

DR. STANDFUSS: Für unsere Institute mit Know-how in Lasertechnologien und Holzforschung bietet der Holzbau eine neue Möglichkeit, uns noch weiter auf dem Markt zu etablieren. Das Fraunhofer WKI bringt seine langjährige Expertise in der Entwicklung von Verbundwerkstoffen sowie der Prozess- und Qualitätskontrolle für Holzwerkstoffe ein. Wir am Fraunhofer IWS sind mit flexiblen Laserverfahren breit aufgestellt, besonders in der Automobilindustrie, der Luft- und Raumfahrt oder in der Medizintechnik. Uns mit unseren Technologien auch in der holzverarbeitenden und Bauindustrie etablieren zu können, bringt unsere Forschung in ein neues Geschäftsfeld. So kann uns ROBINIA neue Perspektiven erschließen und unser Technologieportfolio erweitern. Das gekoppelt mit dem Aspekt der Nachhaltigkeit ist, meiner Meinung nach, der richtige Weg voller Chancen für unsere beiden Institute, um an dieser Stelle gemeinsam etwas zu bewegen.

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SPRIN-D »Carbon-to-Value Challenge«

Die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIN-D) fördert im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie neue Ideen und Technologien, die das Leben merklich verbessern sollen. SPRIN-D unterstützt dabei Projekte von Forschungseinrichtungen, Universitäten und Wirtschaft mit finanziellen Mitteln und Know-how, um diese Erfindungen erfolgreich zur Marktreife zu führen. Besonders an dieser Art der Finanzierung ist das unbürokratische und schnelle Inkrafttreten der Förderungsbeziehungen.

Anfang 2022 hat die Bundesagentur für Sprunginnovationen zur »Carbon-to-Value Challenge« aufgerufen. In diesem Rahmen sollen Projekte gefördert werden, die Lösungen entwickeln, um langfristig CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. Die Finanzierung der Projekte läuft zunächst über ein Jahr. Die Arbeit der Teams wird mit bis zu 600 000 Euro unterstützt und kann im weiteren Verlauf der Zusammenarbeit höher ausfallen. Die erste Stufe der Challenge endet mit einer Zwischenevaluation. Die Finalisten demonstrieren anschließend den Durchbruch ihrer Idee.

Mehr über die SPRIN-D »Carbon-to-Value Challenge«: Carbon-to-Value Challenge | SPRIND

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Zum Hintergrund des Fraunhofer WKI

Nachhaltigkeit durch Nutzung nachwachsender Rohstoffe steht seit über 75 Jahren im Fokus des Fraunhofer WKI. Das Institut mit Standorten in Braunschweig, Hannover und Wolfsburg ist spezialisiert auf Verfahrenstechnik, Naturfaser-Verbundkunststoffe, Bindemittel und Beschichtungen, Holz- und Emissionsschutz, Qualitätssicherung von Holzprodukten, Werkstoff- und Produktprüfungen, Recyclingverfahren sowie den Einsatz von organischen Baustoffen und Holz im Bau. Nahezu alle Verfahren und Werkstoffe, die aus der Forschungstätigkeit hervorgehen, werden industriell genutzt.

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